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In einem früheren Beitrag haben wir bereits die Grundlagen zur Verankerung von Wandscheiben aus Holz erklärt – ein Wissen, das jeder Bauingenieur mitbringen sollte. Aber wie genau werden Zuganker ausgebildet? In diesem Artikel geben wir dir einen detaillierten Überblick, wobei wir den Fokus auf die statisch relevanten Aspekte legen.
Die konkrete Ausführung der Zugverbindungen hängt von der jeweiligen Einbausituation ab, wie in Bild 1 skizziert. Unterschieden wird hierbei zwischen den Anschlüssen an Geschossübergängen und dem Anschluss an die Beton-Bodenplatte. Dabei kann es Unterschiede geben zwischen dem Anschluss einer Außenwand und einer Innenwand.
Unser Fokus liegt auf der Holztafel- bzw. Holzrahmenbauweise, wobei die beschriebenen Verbindungen auch im Massivholzbau angewendet werden können.
Bild 1: Schematische Einbausituation: Anschluss am Geschossübergang (a) Außenwand und (b) Innenwand sowie Anschluss an die Bodenplatte (c) Außenwand und (d) Innenwand.
Welche Produkte stehen zur Verfügung?
Wie bereits in einem unserer vergangenen Beiträge erklärt, muss die einwirkende Zugkraft immer mit der Wandrippe verbunden werden. Eine reine Verankerung an der Schwelle ist hier nicht ausreichend.
Die von den Herstellern angebotenen Stahlblechformteile bieten in der Regel zahlreiche Möglichkeiten, die Zugkraft sicher anzuschließen. Eine Auswahl dieser Produkte ist in Bild 2 dargestellt.
Zugverbinder sind alle durch eine ETA (European Technical Assessment) oder eine abZ (allgemeine bauaufsichtliche Zulassung) zugelassen und geregelt. Die entsprechenden Bemessungsgleichungen und Tragfähigkeiten stehen dem Tragwerksplaner kostenlos in der jeweiligen Zulassung der Hersteller zur Verfügung. Dabei müssen die Mindestabstände der stiftförmigen Verbindungsmittel eingehalten werden. Ebenso sollte man beachten, dass viele Hersteller vorschreiben, welche Löcher zwingend zu vernageln bzw. zu verschrauben sind. Dies verhindert, dass sich der Zuganker an der Falzkante aufziehen kann und somit eine geringere Tragfähigkeit erreicht wird (vgl. Bild 3 (b)).
Des Weiteren ist zu berücksichtigen, dass jeder Hersteller spezifische Vorgaben hinsichtlich der Verschraubung der Zuglaschen definiert. Dabei wird differenziert zwischen einer freien Verschraubung und einer Verschraubung gemäß eines bestimmten "patterns".
Bild 2: Zugverbinder-Varianten: Zweiteiliger Zugwinkel, Zugwinkel, Zugblech, Steckverbinder mit Zuglasche (von links nach rechts)
Die Anwendbarkeit der gewählten Zugverbinder muss geprüft werden! Unter dem zeitlichen Druck eines Projekts kann es verlockend sein, den passenden Anschluss schnell anhand der Tragfähigkeit aus einem Tabellenwerk auszuwählen. Doch hier ist Vorsicht geboten! Nicht jeder Winkel passt zu jedem Rippenquerschnitt. Die Randabstände zum unbelasteten Seitenholzrand sowie der Mindestabstand zum belasteten Hirnholzende müssen sorgfältig geprüft werden. Je nach Design des Winkels kann dies die Wirtschaftlichkeit eines Verbinders maßgeblich beeinträchtigen, insbesondere bei einer limitierten Anzahl an ansetzbaren Verbindungsmitteln. Dies ist besonders problematisch bei schmalen Randrippen-Querschnitten. Des Weiteren kann die Verwendung von Richtschwellen dazu führen, dass die Anzahl potenzieller Verbindungsmittel weiter reduziert wird. In manchen Fällen kann dies sogar die Anwendbarkeit komplett ausschließt, wenn ein Einbringen der notwendigen Verbindungsmittel nicht zulässig ist. Bild 3: (a) Einhalten der Mindestabstände kann Wirtschaftlichkeit beeinträchtigen, (b) weiter unten liegende Löcher müssen zwingend vernagelt werden. |
Wir wollen dir nun ein paar Beispiele vorstellen, wie eine Zugverankerung konkret aussehen kann.
Wie kann die Zugkraft zwischen Geschossen in Holzbauweise weitergeleitet werden?
An Geschossübergängen können Zugkräfte entweder direkt in die darunterliegende Wand oder alternativ in die Deckenscheibe eingeleitet werden. In Bild 4 sind drei typische Einbausituationen für den Zugkraftanschluss an einem Geschossübergang dargestellt.
Bild 4 (a) zeigt die Weiterleitung der Zugkraft mithilfe eines mehrteiligen Stahlblechs, das an der oberen und unteren Rippe der Außenwand verschraubt oder vernagelt wird. Wichtig ist hier die Einhaltung des Mindestrandabstandes zum beanspruchten Hirnholzende der Rippe (a3,t). Die an den Rippen befestigen Stahlbleche, werden durch ein drittes Stahlblech miteinander über Blechschrauben verbunden. Da die Blechschrauben nur die Kraftübertragung zwischen den Blechen gewährleisten, muss der Randabstand in der Schwelle nicht beachtet werden. Dieser Anschluss ist auch bei Innenwänden denkbar, wenn die Decke entsprechend geschlitzt wird, um das Zugblech durchzuführen.
Bild 4 (b) zeigt eine Lösung mit einem Steckverbinder mit Zuglasche, der innerhalb der Wandscheibe an den Rippen befestigt wird. Der Kraftschluss erfolgt über eine Gewindestange, die die beiden Steckverbinder miteinander verbindet. Die Steckverbinder haben ein metrisches Innengewinde, das beim Aufstecken für einen kraftschlüssigen Anschluss sorgt. Diese Lösung funktioniert auch bei beidseitig beplankten Innenwänden, sofern die Verbinder vorab im Werk eingebaut werden.
In Bild 4 (c) wird die Zugkraft mithilfe eines einteiligen Zugwinkels, der an der Rippe (mit der Beplankung als Zwischenschicht) befestigt ist, durch eine Vollgewindeschraube in die Decke bzw. einen Deckenbalken eingeleitet. Die Zugkraft muss letztlich ins Fundament eingeleitet werden, weshalb es essenziell ist, dass die Zugkraft, die in den Deckenbalken geleitet wird, auch in die darunterliegenden Wände weitergeleitet werden kann. Zudem muss der Deckenbalken in der Lage sein, die Einzellast aus der Zugkrafteinleitung aufzunehmen.
Bei beiden Varianten (a) und (b) werden die Verbindungsmittel nicht durch die Beplankung in die Rippe eingeschraubt, wodurch die Abschertragfähigkeit der Verbindungsmittel im Vergleich zur Variante (c) größer ist. Ein weiterer Vorteil dieser Lösungen ist, dass die Zugkraft direkt ins darunterliegende Geschoss weitergeleitet wird, was für den Kraftfluss zu bevorzugen ist. Diese Methode ist jedoch nur möglich, wenn aussteifende Wände übereinanderstehen.
Bild 4: Zugverbinder am Geschossübergang
Was ist eigentlich dieser Bolzenfaktor? Bei den Stahlblechformteilen wird die Last von der Rippe über die stiftförmigen Verbindungsmittel in die Stahllasche eingeleitet und von dort in den Bolzen übertragen. Dieser leitet die Last entweder an die Beton-Bodenplatte, die Holzdecke oder einen kurzgeschlossenen Zuganker weiter. Zwischen der Lasteinleitung in der Stahllasche und dem Anker besteht eine geometrische Exzentrizität. Dadurch wird die Zugkraft im Bolzen größer als die ursprüngliche Zugkraft in der Rippe. Dieser Effekt wird durch den sogenannten Bolzenfaktor berücksichtigt, der von der spezifischen Ausführung des Zugankers abhängt und in der jeweiligen Zulassung angegeben ist. Möchtest du das Prinzip besser verstehen? Dann schau dir die letzte Info-Box in diesem Artikel an! |
Wie kann die Zugkraft in eine Beton-Bodenplatte eingeleitet werden?
Der Anschluss an ein Betonfundament kann ebenfalls über Stahlblechformteile erfolgen, die mithilfe von Betonankern in der Bodenplatte befestigt werden.
In Bild 5 sind verschiedene Anschlussvarianten für Zuganker an eine Betonbodenplatte dargestellt.
Bild 5 (a) zeigt einen zweiteiligen Zuganker: Ein Stahlblech wird mittels Schrauben oder Nägeln an der Rippe befestigt und kann bereits werkseitig montiert werden. Das Fußteil, welches die Zugkraft mithilfe eines Betonankers in die Bodenplatte einleitet, wird vor Ort mit Blechschrauben am vormontierten Zugblech befestigt.
Bild 5 (b) zeigt den Anschluss einer Innenwand mithilfe einteiliger Zugwinkel, die beidseitig der Wand mit Schrauben oder Nägeln an der Rippe befestigt werden. Über Betonanker wird die Zugkraft schließlich in die Bodenplatte abgeleitet.
Ein wichtiger Punkt: Die Tragfähigkeit bei der Verwendung von zwei Zugwinkeln ist nicht automatisch doppelt so hoch wie bei einem. Wenn der Betonanker für die Tragfähigkeit maßgebend ist und der Abstand zwischen den Ankern nicht groß genug ist, können sich die Bruchkegel im Beton (gezackte Linie in Bild 5 (b)) überschneiden, was die Tragfähigkeit pro Anker reduziert.
Bild 5 (c) zeigt eine Variante mit einem Steckverbinder mit Zuglasche. Da Außenwände aufgrund der Wärmedämmung häufig nicht bündig mit der Betonkante abschließen, muss hier besonders auf den Mindestrandabstand zur Betonkante geachtet werden. Gleichzeitig ist auch der Randabstand des Steckverbinders einzuhalten.
Die innenliegende Variante (c) bietet, wie die Varianten (a) und (b) in Bild 4, den Vorteil, dass die Abschertragfähigkeit der Verbindungsmittel höher ist, da keine Zwischenschicht durch die Beplankung vorliegt. Allerdings kann hier die Bolzentragfähigkeit zum maßgebenden Faktor werden, da im Vergleich zur Variante (a) ein deutlich geringerer Randabstand zur Betonkante vorliegt.
Wichtig: Bei Betonankern müssen zwei Grenzwerte für Randabstände beachtet werden: (1) Der Mindestrandabstand, der nicht unterschritten werden darf, und (2) der Randabstand, der die Tragfähigkeit beeinflusst, da nicht der volle Ausbruchkegel im Beton wirksam wird oder andere Versagensmechanismen im Beton auftreten können.
Bild 5: Zugverbinder an Bodenplatte
Welche Betonanker kann ich verwenden? Nachträglich eingebrachte Betonanker lassen sich in drei Gruppen unterteilen: mechanische Anker (Spreiz- und Schraubanker) sowie chemische Anker. Grundsätzlich können alle Typen mit den jeweiligen Zugverbindern kombiniert werden. Besonders bei Außenwänden und Steckverbindern sind chemische Anker oft von Vorteil, da sie einen geringeren Randabstand zur Betonaußenkante ermöglichen. |
Key Take-aways
Die Ausführung der Zugverbinder hängt von drei wesentlichen Faktoren ab: den verwendeten Materialien (Holz oder Beton), dem Wandtyp (Außen- oder Innenwand) sowie der Bauweise (Platform- oder Balloonframing).
Es gibt eine Vielzahl unterschiedlicher Verbindertypen, die in den ETAs der Produkthersteller geregelt sind. Dort ist auch festgelegt, ob die Ausnagelung frei erfolgen darf oder einem vorgegebenen Muster (Pattern) folgen muss.
Die Einhaltung der Mindestabstände ist unbedingt zu prüfen. Außerdem ist darauf zu achten, ob bestimmte Löcher zwingend ausgenagelt werden müssen, um die Tragfähigkeit sicherzustellen.
Bei Zugwinkeln muss häufig ein Bolzenfaktor (= eine größere Kraft im Bolzen) berücksichtigt werden.
Hast du dich schon mal gefragt, warum es Zugwinkel mit großem und kleinem Fußteil gibt? Eventuell ist dir bereits aufgefallen, dass es Zugwinkel mit kurzem und sehr langem Fußteil gibt, wie in Bild 6 (a). Die Unterschiede resultieren aus der Biegesteifigkeit der Winkel: Werden seitlich Steifen angeordnet, dann ist die Verbindung zwischen der Zuglasche und dem Fußteil biegesteif. Das bedeutet, dass die Kraft im Anker etwa der Kraft entspricht, die in die Zuglasche eingeleitet wird. Wird auf die seitlichen Steifen verzichtet, ist der Anschluss biegeweich. Unter einer Zugbelastung wird die Falzkante des Winkels aufgezogen, und das Fußteil stützt sich gegen den Beton ab. Dies führt zu einer zusätzlichen Belastung im Betonanker, die mit zunehmender Fußteillänge abnimmt (Vgl. Bild 6 (b)). Auch der Bolzenfaktor kt kann hiervon beeinflusst werden: Bei biegesteifen Winkeln ist er oft geringer als bei biegeweichen. Bild 6: (a) Zuganker mit unterschiedlicher Länge des Fußteils, (b) mechanisches Modell für biegeweichen Zuganker. |
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