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Cornelis Weiss

Warum der Brandschutz ein Dauerbrenner bleibt

Basics: Ideal für alle, die sich einen Überblick verschaffen möchten oder neu im Thema sind.

In den vergangenen Jahrzehnten lässt sich in Deutschland ein positiver Trend im Bereich des vorbeugenden Brandschutzes sowie der Reduzierung von Brandtodesfällen beobachten. Die Anzahl der Todesopfer durch Brände hat sich in dieser Zeitspanne nahezu halbiert und liegt gegenwärtig auf dem Niveau tödlicher Arbeitsunfälle mit weniger als 400 Fällen pro Jahr. [1] Die Aufrechterhaltung dieses Sicherheitsniveaus stellt jedoch eine Herausforderung dar und soll darüber hinaus weiter optimiert werden. Um Schadensereignisse und ihre Folgen weiterhin effektiv zu reduzieren, werden die Brandschutzmaßnahmen stetig weiterentwickelt. In der jüngeren Vergangenheit ist durch den stetigen Anstieg an vorbeugenden Brandschutzanforderungen, ebenfalls ein Anstieg der Ausführungskosten zu verzeichnen. Dabei stellt sich die Frage, ob die wirtschaftlichen Aufwendungen für Brandschutzmaßnahmen sowie ihr Nutzen in Bezug auf die stagnierende Zahl der Brandtoten in einem angemessenen Verhältnis zueinander stehen. Dieser Beitrag gibt einen Überblick über die Komplexität des Brandschutzes. In den nächsten Beiträgen werden wir unter anderem untersuchen:

  • Wie unterscheiden sich Brandrisiken und Folgen zwischen Holz- und konventionellem Bau?

  • Welchen Einfluss spielt der konstruktive Werkstoffs als Brandlast auf das Brandgeschehen?

  • Welche Anforderungen muss der Holzbau erfüllen, um ein gleichwertiges Sicherheitsniveau  hinsichtlich der Brandgefahr zu gewährleisten?


Wie erreichen wir Sicherheit im Bauwesen? Ein Balanceakt zwischen Schutz und Wirtschaftlichkeit

Die Nutzer von Bauwerken fordern einen Schutz und Sicherheit gegenüber dem Versagen baulicher Konstruktionen. Wie kann im Bauwesen ein angemessenes Sicherheitsniveau erreicht werden, das Menschenleben schützt, Risiken minimiert und gleichzeitig wirtschaftlich vertretbar bleibt?

Hinsichtlich der Widerstandsfähigkeit des Tragwerks gegen mechanische oder thermische Einwirkungen wird auf die aktuellen Rechtsgrundlagen und Berechnungsnormen vertraut. Durch geeignete Maßnahmen wird ein zwar nicht exakt definiertes, jedoch allgemein akzeptiertes Sicherheitsniveau gewährleistet. Hierzu werden den ausführenden Planern baurechtliche Verordnungen zur Verfügung gestellt, welche ingenieurmäßige Brandschutzbestimmungen regeln. Die Bauordnungen der Länder definieren die Brandschutzanforderungen in Anlehnung an die Musterbauordnung, die als unverbindliche Orientierung der Bundesländer herangezogen wird. In dieser Verordnung sind verschiedene bauliche Brandschutzmaßnahmen festgelegt, die unter anderem die Brennbarkeit von Baustoffen, Feuerwiderstandsklassen und Gebäudeklassen regulieren. Ziel ist es, im Falle eines Brandes  eine sichere Evakuierung von Personen sowie die Verhinderung der Brandausbreitung zu gewährleisten.

Im Bereich des Risikomanagements hat sich folgende Sicherheitsdefinition durchgesetzt:

„Sicherheit gegenüber einer Gefährdung besteht dann, wenn diese Gefährdung durch geeignete Maßnahmen unter Kontrolle gehalten oder auf ein akzeptierbar kleines Maß beschränkt wird. Eine absolute Sicherheit kann nicht erreicht werden.“ [2] 

Ein Beispiel hierfür ist die Priorisierung im Bereich des Brandschutzes, bei der der Schutz von Menschenleben und Gesundheit (Personenschutz) über dem Schutz des Eigentums und der Begrenzung finanzieller Schäden (Sachschutz) steht. Jedoch muss akzeptiert werden, dass auch durch geeignete Maßnahmen und Vorkehrungen das Auftreten von sicherheitsgefährdenden Ereignissen lediglich minimiert werden kann. 

Im Bauwesen kann dies im Extremfall bedeuten, dass unvorhersehbare Ereignisse, alle zuvor getroffenen Sicherheitsvorkehrungen außer Kraft setzen können. Eine hinreichende bauliche Sicherheit liegt demnach vor, wenn ein Versagen des Bauwerks innerhalb der vorgesehenen Nutzungsdauer nur mit einer akzeptabel geringen Wahrscheinlichkeit auftritt. [3]

Um zukünftig das Sicherheitsniveau und die Schutzziele zu gewährleisten, ist es entscheidend, die Ursachen und den Ablauf eines Brandes besser zu verstehen.


Wie entsteht ein Brand? Ein Blick auf das Verbrennungsdreieck

Ein Brand entsteht, wenn drei Faktoren zusammenkommen: brennbares Material, Sauerstoff und eine Zündquelle – das sogenannte Verbrennungsdreieck (Bild 1). Diese Elemente sind die Grundvoraussetzungen für die Entstehung eines Feuers und eines daraus resultierenden Brandes.

Bild 1: Verbrennungsdreieck [4]

Nach der Entzündung eines brennbaren Materials und der Ausbreitung des Brandes steigt die im Raum freigesetzte Energiemenge weiter an. Für die weitere Brandentstehung und -entwicklung steht in der Regel die Raumluft als ausreichend benötigter Sauerstoffanteil zur Verfügung. Erst im späteren Verlauf, insbesondere beim Übergang zum Vollbrand, beeinflussen die verfügbare Sauerstoffmenge und die Brandlast – die Menge des brennbaren Materials – den weiteren Ablauf des Brandgeschehens. Die Zündenergie, die als dritte Komponente notwendig ist, um ein Feuer auszulösen, stellt die unberechenbarste Größe dar. Sie variiert je nach Material und Bedingungen und ist schwer vorhersagbar.

Ein Brand ist also ein Zusammenspiel aus mehreren Faktoren, die in ihrer Dynamik das Brandgeschehen und seine Entwicklung maßgeblich beeinflussen. Das Verständnis dieser Abläufe ist essenziell, um die unterschiedlichen Brandlasten während eines Brandes bewerten zu können.


Welche Brandlasten gibt es und wie wirken sie sich aus?

Die Brandlast ist die Energiemenge, die bei vollständiger Verbrennung aller brennbaren Materialien in einem Raum als Wärme freigesetzt wird. [5] Sie kann in zwei Kategorien unterteilt werden, die sich in ihrer Bedeutung für das Brandgeschehen sowie der Bestimmung und Bewertung unterscheiden: mobile und immobile Brandlasten.

Mobile Brandlasten

In der anfänglichen Entstehungsphase eines ausschließlich brandlastgesteuerten Brandes spielen die Eigenschaften des Brandraumes keine wesentliche Rolle. Ausschlaggebend für die initiale Entzündung sind meistens mobile Brandlasten, wie Einrichtungs- und Gebrauchsgegenstände. Allerdings beschreibt die mobile Brandlast im Wohnungsbau eine Größe, die schwer zu bestimmen und nicht allgemeingültig festzulegen ist. Einrichtungsgegenstände und alltägliches Gebrauchsgut hängen von individuellen Verhältnissen, Lebensgewohnheiten sowie sozialem und weiterem ökonomischen Umfeld ab. 

Immobile Brandlasten

Dagegen setzt sich die konstruktive immobile Brandlast sowohl aus bauweisenspezifischen und konstruktionsneutralen Brandlasten zusammen. Im Gegensatz zu mobilen Lasten können diese Größen für verschiedene Bauweisen eindeutig festgelegt und direkt bestimmt werden. Die bauartbedingte Brandlast hängt von der statischen Tragkonstruktion und den dabei verwendeten Materialien ab. Die Brandlasten, die konstruktionsneutral sind, beziehen sich auf Einbauten im Gebäude, wie zum Beispiel Fenster, Türen, Installationen und sonstige Gebäudetechniken. 


Das Brandgeschehen in einer Wohnung entwickelt sich umso kritischer, je größer der Anteil an brennbarem beweglichen Inventar sowie an brennbaren und ungeschützten konstruktiven Bauteilen im und am Gebäude ist. Ein effektiver Brandschutz erfordert daher ein Verständnis beider Faktoren, um gezielte Maßnahmen zur Minimierung von Brandursachen umzusetzen.


Die häufigsten Brandursachen: Ein Blick auf die Statistik

Brände sind in zahlreichen Fällen vermeidbar, wie die Zahlen des IFS (Institut für Schadenverhütung und Schadenforschung) zeigen [6]. Im Jahr 2022 wurden knapp 2000 Brandursachenermittlungen untersucht, die zu erheblichen Gebäudeschäden führten. Die Brandursachenstatistik für das Jahr 2022 sowie die Gesamtstatistik von 2002 bis 2022 sind in Bild 2 dargestellt.


Bild 2 oben: Brandursachen 2022, unten: Brandursachen 2002-2022 [6]

Die Hauptursachen der Brandentstehung sind auf technisches Versagen oder menschliches Fehlverhalten zurückzuführen. In der Brandursachenstatistik des IFS für das Jahr 2022 ist Elektrizität mit einem Anteil von 28% die häufigste Brandursache. Neben dem Anteil unbekannter oder nicht zugeordneter Ursachen von 22% folgen menschliches Fehlverhalten mit 25%, Überhitzung mit 9% und Brandstiftung mit 8%. 

Ein Blick auf die Gesamtstatistik von 2002 bis 2022 zeigt, dass die Verteilung der Brandursachen über die Jahre hinweg stabil geblieben ist. Auch die Daten aus dem Jahr 2022 zeigen prozentual kaum Abweichungen von den langfristigen Trends der Gesamtstatistik. 

Die statistische Erhebung belegt, dass baulich-konstruktive Bauteile bzw. immobile Brandlasten nur einen sehr geringen Einfluss auf die Entstehung von Bränden haben. Das eigentliche Risiko für Brandentstehungen wird stattdessen im Wesentlichen von den technischen Installationen und menschlichem Fehlverhalten beeinflusst. 

Key Takeaways:


  • Gesetzliche Vorgaben für Sicherheit: Im Bauwesen wird ein akzeptiertes Sicherheitsniveau durch gesetzliche Vorgaben und geeignete Maßnahmen erreicht, wobei der Schutz von Menschenleben an erster Stelle steht.

  • Keine absolute Sicherheit: Eine hinreichende bauliche Sicherheit liegt vor, wenn ein Versagen des Bauwerks nur mit einer akzeptabel geringen Wahrscheinlichkeit eintritt. Absolute Sicherheit bleibt unerreichbar.

  • Unterschiedliche Brandlasten: Mobile Brandlasten (z. B. Möbel, Gebrauchsgegenstände) und immobile Brandlasten (z. B. konstruktive Bauteile) beeinflussen das Brandgeschehen auf unterschiedliche Weise und erfordern eine gezielte Bewertung.

  • Hauptursachen für Brände: Technisches Versagen und menschliches Fehlverhalten sind die häufigsten Brandursachen, während baulich-konstruktive Bauteile eine untergeordnete Rolle spielen.



Quellen


[1] Deutscher Feuerwehrverband e. V. (2022); URL:    https://www.feuerwehrverband.de/app/uploads/2022/12/221230_Statistik.pdf

[2] Schweizerischer Ingenieur- und Architekten-Verein (1989): Einwirkungen auf Tragwerke - SIA Norm 160

[3] Engel, T.; Brunkhorst, S.; Steeger, F.; Butscher, D.; Kurzer, C.; Werther, N.; Winter, S.; Zehfuß, J.; Kampmeier, B.; Neske, M. (2021) Schlussbericht zum Verbundvorhaben TIMpuls - Brandschutztechnische Grundlagenuntersuchung zur Fortschreibung bauaufsichtlicher Regelungen im Hinblick auf eine erweiterte Anwendung des Holzbaus. Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe; Gülzow-Prüzen

[4] Stadtverwaltung Potsdam Fachbereich Feuerwehr; URL: https://www.feuerwehr-potsdam.de/brandschutzerziehung/brandschutzerziehung_02.htm

[5] Kaudelka Sven (2019): Untersuchungen zur Brandentstehung und Brandausbreitung in Wohnungen; Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung (BAM) Berlin.

[6] Ursachenstatistik (2022); Institut für Schadenverhütung und Schadenforschung der öffentlichen Versicherer e.V.


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