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Im Holzbau werden häufig stiftförmige Verbindungsmittel wie Nägel, Schrauben und Bolzen verwendet. Diese Verbindungselemente werden häufig senkrecht zur Achse, also auf Abscheren, beansprucht und übertragen die Kräfte zwischen zwei Bauteilen über die sogenannte Scherfuge. Die Bemessung der Tragfähigkeit erfolgt dabei nach der Johansen-Theorie, die auch im Eurocode 5 [1] verankert ist. Die Bemessungsregeln für Holz-Holz- und Stahl-Holz-Verbindungen mit stiftförmigen Verbindungsmitteln, gelten unter der Voraussetzung, dass die zu verbindenden Bauteile in direktem Kontakt stehen. Eine Zwischenschicht oder ein Abstand zwischen den Bauteilen ist nicht zulässig und wird in den Berechnungsgleichungen nach der Fließtheorie von Johansen nicht berücksichtigt.
Im Holztafelbau sind solche Detailanschlüsse konstruktionsbedingt häufig anzutreffen und können die Tragfähigkeit der Verbindung erheblich verringern, da die aussteifende Beplankung der Wandtafel bei der Befestigung von Zug- und Schubankern, Balkenschuhen oder Knaggen als Zwischenschicht wirkt.
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In diesem Beitrag soll anhand zweier praxisrelevanter Anschlussdetails der Einfluss der Zwischenschicht auf die Tragfähigkeit von Holz-Holz- und Stahlblech-Holz-Verbindungen aufgezeigt werden. Die Berechnung der Tragfähigkeit von einschnittigen Verbindungen mit Zwischenschichten erfolgt unter den Bemessungsformeln von Blaß und Laskewitz [2], welche von der Theorie von Johansen abgeleitet wurden.
Welche Arten von Zwischenschichten gibt es?
Grundsätzlich ist wie bei den Johansen-Gleichungen zunächst zwischen einer Holz-Holz-Verbindung und einer Stahl-Holz-Verbindung zu unterscheiden.
Bei Verbindungen mit einer Zwischenschicht wird zudem zwischen einer verschieblichen und einer unverschieblichen Zwischenschicht differenziert. Zusätzlich wird bei beiden Varianten noch zwischen dicken und dünnen Zwischenschichten unterschieden.
Eine verschiebliche Zwischenschicht liegt vor, wenn keine feste Verbindung zu einem der beiden Bauteile besteht. Ist die Zwischenschicht hingegen kraftschlüssig mit einem der Bauteile verbunden, etwa durch Klammern, wird sie als unverschieblich bezeichnet. In diesem Fall wirken die Zwischenschicht und das verbundene Bauteil wie ein zusammengesetztes Bauteil.
Für die Kraftübertragung zwischen Bauteil 1 und Bauteil 2 bedeutet dies: Bei einer unverschieblichen Zwischenschicht muss das stiftförmige Verbindungsmittel die Kraft nur zwischen der Scherfuge von Bauteil 1 und dem zusammengesetzten Bauteil übertragen (wie in Bild 1a). Bei einer verschieblichen Zwischenschicht hingegen muss das Verbindungsmittel -je nach Dicke der Zwischenschicht- die Kraft über beide Scherfugen übertragen (dicke ZWS) (siehe Bild 1b) oder die Zwischenschicht bleibt unbeansprucht (dünne ZWS).
Ob eine Zwischenschicht als dick oder dünn gilt, lässt sich nur durch die Bestimmung der Tragfähigkeit prüfen.
Bild 1: Unterscheidung zwischen a) unverschieblicher und b) verschieblicher Zwischenschicht
Unverschiebliche Zwischenschicht
Bei einer unverschieblichen Zwischenschicht wird die zu übertragende Kraft sowohl in die Zwischenschicht als auch in das verbundene Bauteil eingeleitet.
Bei einer dünnen Zwischenschicht wird sowohl die Lochleibungsfestigkeit der Zwischenschicht als auch die des dahinterliegenden Holzes erreicht (siehe Bild 2a). In diesem Fall sind die Bemessungsgleichungen nach EC 5 [1] nicht anwendbar, und es muss auf die Formeln nach Blaß und Laskewitz [2] zurückgegriffen werden.
Bei einer dicken Zwischenschicht (siehe Bild 2b) wird die Kraft vollständig in die Zwischenschicht eingeleitet, sodass die Lochleibungsfestigkeit im dahinterliegenden Holz nicht erreicht wird. Die Bemessung der Tragfähigkeit erfolgt dann nach EC 5 [1] für die Scherfuge des Bauteils 1 und der Zwischenschicht, wobei nur die Versagensfälle mit Fließgelenk berücksichtigt werden müssen.
Bild 2: Mögliche Versagensart bei unverschieblichen Zwischenschicht a) dünn, b) dick
Das Vorgehen zur Berechnung der Tragfähigkeit von Verbindungen mit stiftförmigen Verbindungsmitteln und unverschieblichen Zwischenschichten ist in Bild 3 zusammengefasst.
Bild 3: Vorgehen bei einer unverschieblichen Zwischenschicht, die Berechnungsgleichungen für dünne Zwischenschichten können [2] entnommen werden
Verschiebliche Zwischenschicht
Auch bei einer verschieblichen Zwischenschicht, die nicht mit einem der beiden Bauteile verbunden ist, sind die Fälle der dünnen und dicken Zwischenschicht zu unterscheiden. Bei einer dünnen Zwischenschicht erfolgt keine Kraftübertragung in die Zwischenschicht selbst, jedoch kann ein Moment übertragen werden. Auch für diesen Fall sind die Bemessungsgleichungen des EC 5 [1] nicht anwendbar.
Eine Zwischenschicht gilt als dick, wenn darin mindestens ein Fließgelenk ausgebildet wird. In diesem Fall können die Bemessungsgleichungen nach EC 5 [1] wieder angewandt werden, wobei beide Scherfugen wie in Bild 3 zu untersuchen sind. Auch hier sind ausschließlich die Versagensfälle mit Ausbildung von Fließgelenken zu betrachten.
Bild 4: Mögliche Versagensart bei verschieblichen, dicken Zwischenschichten.
Das Vorgehen bei der Bemessung einer verschieblichen Zwischenschicht ist in Bild 5 schematisch abgebildet.
Bild 5: Vorgehen bei einer verschieblichen Zwischenschicht, die Berechnungsgleichungen für dünne Zwischenschichten können [2] entnommen werden
Achtung: Zwischenschicht mit eigenen Verbindungsmitteln nicht zwangsläufig unverschiebliche Zwischenschicht! |
Das Vorhandensein einer Befestigung zwischen der Zwischenschicht und einem der beiden Bauteile bedeutet nicht zwangsläufig, dass es sich um eine unverschiebliche Zwischenschicht handelt. Ist die Bemessungslast für die Verbindung des zusammengesetzten Bauteils geringer als die Kraft, die zwischen Bauteil 1 und 2 übertragen werden soll, muss von einer verschieblichen Zwischenschicht ausgegangen werden. Dies ist beispielsweise der Fall bei Auflagern von Deckenbalken, die an eine Holztafelwand angeschlossen werden: Die vertikale Kraft des Auflagers ist unabhängig von der Kopflast der Wandscheibe (siehe Beispiel 2). Auch bei aussteifenden Wänden im Erdgeschoss können zusätzliche Zugkräfte aus dem darüberliegenden Geschoss in die erforderlichen Zuganker eingeleitet werden, für welche die Verbindung der Beplankung nicht dimensioniert ist [3]. |
Berechnungsbeispiele: Baupraktische Anschlüsse mit Zwischenschicht
Zur Veranschaulichung des Einflusses einer Zwischenschicht werden zwei Berechnungs-beispiele vorgestellt: eine Stahlblech-Holz- und eine Holz-Holz-Verbindung mit Zwischenschicht. Bild 6 links zeigt eine typische Zugverankerung einer Holztafelwand an ein Deckenbauteil mithilfe eines Zugankers. In diesem Beispiel ist die Zuglasche auf die OSB-Beplankung aufgenagelt. Bild 6 rechts zeigt den Anschluss eines Deckenauflagers an eine Holztafelwand, wie es im Balloon-Framing ausgeführt wird. Hier wird die außerhalb der Wandebene liegende Knagge über ein innenliegendes Querholz mit Verbindungsmitteln durch die Beplankung verbunden.
Bild 6: Zuganschlussdetail Holztafel-Innenwand an Deckenbauteil (links), Querkraftanschlussdetail Deckenbalken über Knagge an Holztafelwand (rechts)
In Bild 7 ist die Tragfähigkeit eines Nagels für eine Variante mit und ohne Zwischenschicht im Vergleich zu den in Bild 6 gezeigten Beispielen dargestellt. Bild 7a zeigt die Ergebnisse für Beispiel 1, Bild 7b für Beispiel 2.
Eine verschiebliche Zwischenschicht reduziert die Tragfähigkeit im Vergleich zu einer Verbindung ohne Zwischenschicht um bis zu ein Drittel. Eine unverschiebliche Zwischenschicht kann jedoch auch zu einer höheren Tragfähigkeit führen, da die Lochleibungsfestigkeit der gängigen Beplankungsplatten oft größer ist als die des angeschlossenen Holzes.
In jedem Fall ist der Einfluss der Zwischenschicht rechnerisch zu prüfen.
Bild 7: Übersicht Bemessungswert Tragfähigkeit je Nagel für eine Stahl-Holz-Verbindung (links) und für eine Holz-Holz-Verbindung (rechts)
Vereinfachte Bemessung bei unverschieblicher Zwischenschicht |
Unter der Voraussetzung, dass die Zwischenschicht kraftschlüssig mit dem dahinter liegenden Holz verbunden ist und aufgrund des beschriebenen Lastflusses von einer unverschieblichen Zwischenschicht ausgegangen werden kann, lässt sich folgende vereinfachte Regelung annehmen: Die Lochleibungsfestigkeit von Holzwerkstoffplatten wird maßgeblich von der Dicke der Beplankung sowie der Größe des Verbindungsmitteldurchmessers beeinflusst. Für stiftförmige Verbindungsmittel mit einem Durchmesser von bis zu 6 mm ist die Lochleibungsfestigkeit der Holzwerkstoffplatte größer als die des angeschlossenen Holzes [3]. Daher kann die Tragfähigkeit der Verbindung auf Abscheren wie die einer Verbindung ohne Zwischenschicht angenommen werden. Unter Vernachlässigung der steiferen Holzwerkstoffplatte kann die effektive Einschlagtiefe des Verbindungsmittels mit der gesamten Verankerungslänge (Beplankung + Holzbauteil) angesetzt werden. Für die Berechnung des Seileffekts des Verbindungsmittels auf Herausziehen darf dagegen als Eindringtiefe nur die Verankerungslänge im Holzbauteil in Rechnung gestellt werden. |
Key Take-aways:
Eine Zwischenschicht zwischen zwei lastübertragenden Bauteilen kann die Tragfähigkeit erheblich beeinflussen!
Zwischenschichten können je nach Art verschieblich oder unverschieblich sein.
Eine Zwischenschicht kann nur dann als unverschieblich betrachtet werden, wenn die zugehörigen Verbindungsmittel mindestens die gleiche Tragfähigkeit wie die zu übertragende Kraft aufweisen.
Es muss rechnerisch geprüft werden, ob eine dünne oder dicke Zwischenschicht vorliegt.
Es wird empfohlen, die Zwischenschicht rechnerisch zu berücksichtigen, da sonst die tatsächliche Tragfähigkeit der Verbindung überschätzt werden könnte.
Quellen:
[1] DIN EN 1995-1-1 | 2010-12; Eurocode 5: Bemessung und Konstruktion von Holzbauten - Teil 1-1: Allgemeines - Allgemeine Regeln und Regeln für den Hochbau; Deutsche Fassung EN 1995-1-1:2004 + AC:2006 + A1:2008
[3] François Colling; Aussteifung von Gebäuden in Holztafelbauart - Grundlagen, Beanspruchungen, Nachweise nach DIN und EUROCODE, 1. Auflage, November 2011